Gegen unseren Willen. Vergewaltigung und Männerherrschaft by Susan Brownmiller

Gegen unseren Willen. Vergewaltigung und Männerherrschaft by Susan Brownmiller

Autor:Susan Brownmiller [Brownmiller, Susan]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105615195
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Sexualdelikte an Kindern

»Liebe Abby«, schreibt eine Mutter, die sich als »mit den Nerven fertig« bezeichnet, an (in Amerika sehr populäre »Briefkastentante«) Abigail Van Buren, »vor einigen Monaten schrieb ich Ihnen schon einmal wegen eines Verwandten, der meine dreijährige Tochter sexuell belästigt. Sie antworteten mir damals, ich sollte ihn zur Rede stellen und auf schnellstem Wege zum Arzt schicken. Wir haben ihn zur Rede gestellt, aber er leugnete natürlich alles und meinte: ›Sie hat das alles erfunden.‹ Abby, wie kann eine Dreijährige solche Geschichten erfinden? Ich habe mit der Polizei gesprochen, aber dort sagte man mir, ohne Beweise könne man keine Anklage wegen sexueller Belästigung erheben … Wem wird man glauben, einem dreijährigen Mädchen oder einem angesehenen und von allen bewunderten Mann? Sie sprachen mit mir wie mit einer hysterischen, von Halluzinationen heimgesuchten Mutter. Verstehen Sie, warum ich Gott jeden Abend um seinen Tod bitte?«[349]

Die Journalistin Van Buren vestand. Es war nicht der erste Brief dieser Art, den sie hatte abdrucken lassen.

Die seltenen Fälle, in denen sich sexueller Mißbrauch von Kindern als Mord mit Verstümmelung manifestiert, lösen in der Öffentlichkeit überall helles Entsetzen aus, doch vor dem alltäglichen Tatbestand der sexuellen Belästigung schließen die Leute lieber die Augen. Alle Mütter trichtern ihren arglosen Kindern ein, von Fremden keine Schokolade zu nehmen, denn in der allgemeinen Vorstellung ist der Kindesschänder ein alter, schmieriger Mann, der um Schulhöfe schleicht, oder der wehleidige Typ, den Peter Lorre in dem Film »M« spielt. In der hierarchisch geordneten Welt der Strafgefangenen, in der Gewaltverbrecher hohes Ansehen genießen, stehen Kinderschänder auf einer Stufe mit Spitzeln, als Abschaum und Zielscheibe von Gehässigkeit und Verachtung.[350] In grellem Gegensatz zur Ansicht von Häftlingen sehen Liberale in ihrer alles verzeihenden Einstellung gegenüber Kriminellen im Kindesschänder einen netten, gehemmten Mann, der sich vor Beziehungen mit erwachsenen Partnern fürchtet, oder einen verwirrten, konflikterfüllten Menschen mit »moralischen« Problemen oder mangelnder Urteilskraft.[351]

Ist der sexuelle Mißbrauch von Minderjährigen auf das extrem abartige Verhalten einer kleinen Anzahl von Unglücklichen zurückzuführen, die nicht anders können – und deren Verbrechen von der Sensationspresse derart aufgebauscht werden, daß »hysterische« Mütter und ihre »verlogenen« Kinder in Halluzinationen geraten? Oder handelt es sich im Gegenteil um ein weitverbreitetes, nur allzu reales Vergehen? Die Kriminalstatistik des FBI, der Uniform Crime Report, hilft uns in diesem Fall nicht weiter; so unglaublich es klingt, das FBI kann uns alles über Autodiebstähle sagen, aber die Verbrechensbekämpfer der Regierung haben noch niemals eine eingehende Analyse der an wehrlosen Kindern begangenen Sexualverbrechen auf die Beine gestellt.

Nach einer Untersuchung von Dr. Charles Hayman wurden in das Allgemeine Krankenhaus von Washington Vergewaltigungsopfer im Alter von 15 Monaten bis zu 82 Jahren eingeliefert. Zwölf Prozent aller Fälle waren Kinder bis zu 12 Jahren.[352] Nach Brenda Browns Untersuchung über in Memphis der Polizei gemeldete Fälle waren sechs Prozent der Opfer unter 12 Jahren.[353] Menachim Amir berichtet in seiner Untersuchung über Vergewaltigungen in Philadelphia, daß acht Prozent aller Opfer zehn Jahre und jünger waren; insgesamt 28 Prozent waren 14 Jahre und jünger.[354]

In der jüngsten Literatur von und über Frauen findet sich eine beträchtliche Anzahl von Berichten über sexuelle Belästigungen und Schändungen von Kindern.



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